FÜHLST Du mit mir, bitte?
Eines der größten Geschenke, das mein Mann mir im Laufe unseres Zusammenseins gemacht hat, erhielt ich von ihm während meiner Burnout-Phase. Und wenn Du jetzt den ausgefallensten Blumenstrauß ever, ein edles Schmuckstück oder einen emotionalen Liebesbrief erwartest, muss ich Dich leider enttäuschen;)
Eine Sache, die mir damals mehr als alles andere geholfen hat und die mir bis heute unglaublich viel bedeutet, ist der Fakt, dass mein Mann mein Problem nicht zu seinem gemacht hat. Er war für mich da, gar keine Frage. Und das Tag und Nacht. Er hat mich aufgefangen, wenn nötig. Er hat mir zugehört und er hat mich in meiner Not gesehen und verstanden. Doch er hat eine entscheidende Sache NICHT getan: Er ist nicht mit mir in meinem persönlichen Leid ertrunken. Ich habe gespürt, dass er mit mir FÜHLT, aber nicht mit mir LEIDET. Und das ist in meinen Augen ein extrem großer Unterscheid.

Unerbetene Ratschläge – Nein, danke!
Wer mitfühlt, nimmt sein Gegenüber ernst und die aktuelle Situation wahr, doch bleibt gleichzeitig bei sich und in der eigenen Kraft. Wer hingegen mitleidet, ist oftmals keine Stütze, sondern wird durch das Annehmen des fremden Leides auch bedürftig. Und das ist für Menschen, die beispielsweise an einem Burnout erkrankt sind, eher keine Hilfe. Im Gegenteil. Sie können sich gleich doppelt schlecht fühlen, weil sie ihrem Gegenüber auch noch die Stimmung oder den Tag verhagelt haben und das will nun wirklich niemand.
Was außerdem oft das Gegenteil von gut gemacht ist, ist gut gemeint. Und damit meine ich das Verteilen unerbetener Ratschläge. Es ist einerseits übergriffig. Andererseits wollen wir oftmals einfach kein „Alles wird gut“ oder die X-te „Halte-durch-Parole“ hören. Manchmal brauchen wir keine Buchempfehlung oder den Tipp, zu irgendeinem hippen Yoga-Kurs zu gehen. Wir wollen nicht hören, dass es irgendeiner Bekannten auch so ging und was sie alles gemacht hat, um wieder auf die Beine zu kommen. Und wir wollen auch nicht mit geheucheltem Interesse vernommen werden wie in einem Verhör, damit der Gesprächspartner neue Informationen im Bekanntenkreis oder auf der Arbeit verbreiten kann, weil er oder sie sich selbst hilflos fühlt. Manchmal wollen wir einfach nur sicher sein, dass jemand an unserer Seite ist, ganz gleich, was da kommen mag und die- oder derjenige signalisiert: „Ich bin da – bedingungslos!“
Einander sehen und hören
Neben echtem Mitgefühl sind aktives Zuhören sowie den anderen wirklich in seiner Ganzheit zu sehen, für mich persönlich die drei Gesten, die heilsam und wirksam sind. Denn für einander da zu sein, heißt die andere oder den anderen anzunehmen, ohne zu verurteilen, zu bewerten oder in irgendeine Schublade zu stecken. Wenn auch nur gedanklich. Wir sind alle viel zu verschieden und einzigartig, als das ich mich mit Dir vergleichen könnte. Und das ist gut so! Jeder braucht etwas anderes, um wieder in die eigene Kraft zu kommen. Daher stellen wir besser Fragen, die einem Menschen in einer Krise weiterbringen und neue Perspektiven aufzeigen. Zum Beispiel: „Was brauchst Du jetzt wirklich?“oder „Was würde Dir gut tun?“
Welche Erfahrungen hast Du mit Mitleid und Mitgefühl gemacht? Was hat Dir während einer schweren Lebensphase geholfen, wieder auf die Beine zu kommen? Was hat Dich in den Heilungsprozess gebracht? Ich freue mich sehr, wenn Du Deine Gedanken da läßt und mit uns teilst. Denn ich glaubr fest daran, dass wir von einander lernen können.
Fühle Dich geherzt!
Deine Wiebke