Wenn wir uns selbst aus dem Blick verlieren
Wenn es im Außen trubelig zugeht, etwa die Termine sich gnubbeln, Du vor neuen Aufgaben oder Projekten stehst, Menschen Deine „Knöpfe“ drücken oder Du zum Beispiel gerade Mama oder Papa geworden bist, dann machen wir uns häufig selbst einen riesigen Druck. Meist unbewusst, setzen wir die Messlatte auf schwindelerregende Höhe und verlangen uns nahezu Unmögliches ab. Zudem streben wir nach größter Perfektion oder gönnen uns nicht eine einzige Pause am Tag. Hauptsache alles läuft und wir funktionieren.
Kommt Dir das bekannt vor, dass Du machmal das Gefühl hast, Dich selbst zu verlieren oder Du keinen Zugang mehr zu Deinen eigenen Bedürfnissen oder Gefühlen hast? Oder dass das Sorgenkarussell sich dreht und dreht und Dir von all‘ dem Druck und Stress ganz schwindelig ist? Dann findest Du in diesem Artikel gesunde Impulse – fernab von Ablenkung, Shopping, Alkohol und Co. – um einen Gang runterzuschalten, verständnisvoller und mitfühlender mit Dir zu sein, Dein eigenes Wohlbefinden wieder zur Priorität zu machen und Deinen persönlichen Stress zu reduzieren.
„Statt zu sagen: Sitz nicht einfach nur da – tu irgendetwas, sollten wir das Gegenteil fordern: Tu nicht einfach irgendetwas – sitz nur da.“
(Thich Nhat Hanh)
Werde zum Forscher
Nicht selten ist der Druck, den wir uns innerlich selbst machen, viel größer als der von außen. Wir fürchten zu scheitern und wir grämen uns schon im Vorfeld vor dem miesen Gefühl, dass das damit einhergehen würde. Doch meist basiert diese Angst, dass wir etwas nicht schaffen könnten, auf alten Erfahrungen. Fast alle von uns haben Situationen erlebt, in denen wir uns ausgeliefert oder hilflos gefühlt haben und die größtenteils schon ewig zurückliegen. Und dass wir solche Erlebnisse noch einmal erfahren könnten, will unser System mit allem Mitteln vermeiden.
Wenn Du also nachhaltig daran arbeiten willst, Dir selbst weniger Stress zu machen, finde die Ursache, warum Du Dir selbst einen solchen Druck machst und heile diese innere Verletzung, um in Zukunft achtsam, mitfühlend und liebevoll mit Dir umgehen zu können. Wenn Du zum beispielsweise immer denkst, „oh weh, das wird böse enden!“, frage Dich, wann diese Überzeugung entstanden ist und warum. Und dann mache eine Realitätsabgleich und Dir selbst bewusst, wann für Dich Dinge wirklich schlecht geendet sind. In der Regel stimmen diese falschen Überzeugungen und Deine Erlebnisse nämlich nicht im Geringsten überein. Meist ist das Gegenteil der Fall, dass uns Dinge gelungen sind und wir unserer Intution uns uns vertrauen können. Also löse die alten Ängste für Dich auf und setze den neuen Samen für einen wohlwollenden Glaubenssatz wie: „Es kann sehr gut werden und sogar noch besser;).“
Lerne Deine inneren Antreiber kennen
Möglicherweise hast Du schon einmal davon gehört, dass wir unterschiedliche Anteile in uns vereinen, die unser Denken, Fühlen und Handeln steuern. Dieses Konzept stammt aus der sogenannten Transaktionsanalyse. Zu diesen Anteilen zählen auch die sogenannten inneren Antreiber. Sie entstehen meist in jungen Jahren durch Botschaften und Prägungen unseres Umfeldes oder durch selbstgemachte Erfahrungen und führen zu Verhaltensmustern, die wir nur schwer wieder ablegen können.
Zu den inneren Antreiben zählen folgende:
1. Mache es allen recht!
2. Sei perfekt!
3. Sei schnell!
4. Sei stark!
5. Streng Dich an!
Ganz gleich, welcher Antreiber in uns das Zepter in Händen hält – manchmal sind es auch mehrere – sobald wir mit ihm zu sehr identifiziert sind, verlieren wir uns als ganze Person aus den Augen und gehen über unsere persönlichen Grenzen hinaus und setzen manchmal sogar unsere Gesundheit aufs Spiel. Daher schaue einmal aus der Vogelperspektive und mit einem liebevollen Blick auf Deine Verhaltensmuster und Denkweisen und frage Dich aufrichtig: Wecher Anteil meldet sich da gerade in mir? Was ist dessen Absicht? Wahre ich noch meine Grenzen? Sorge ich überhaupt noch gut für mich? Verhalte ich mich wie eine Maschine? Verlange ich zu oft Unmögliches von mir? Weiß ich eigentlich noch, was ich selber will oder funktioniere ich bloß nur noch nach Schema F?
Diesem Stimmenstrudel nachaltig zu entkommen, ist nicht immer leicht. Hier wie auch im oben genannten Punkt kann die Zusammenarbeit mit einer Therapeutin/einem Therapeuten oder einem Coach absolut sinnvoll sein, um in sich selbst einen festen Anker zu setzen, der einen in stressigen Zeiten am Boden hält. Doch eins noch als Ergänzung: Die Anteile wollen in der Regel nur unser Bestes und uns nicht schaden. Im Gegenteil. Sie wollen uns vor Kritik, Kummer, Verletzung, Enttäuschung und Co. bewahren. Daher lohnt sich auch immer die Frage an den inneren Anteil: Wozu bist Du da? Wovor willst Du mich beschützen? Was brauchst Du?
Erlaube Dir, Nein zu sagen und Grenzen zu setzen
Wir alle tragen das Bedürfnis nach Harmonie und Liebe in uns. Und das ist sicher wichtig. Doch oft wird aus diesem Bedürfnis ein derartiges Bestreben, dass es zu unseren Lasten geht. Und zwar dann, wenn wir es über unser eigenes Wohlbefinden stellen.
Wie oft sagen wir „Ja“, weil jemanden nicht enttäuschen wollen? Wie oft sagen wir „Ja“, weil wir Angst haben, sonst nicht mehr dazuzugehören? Wie oft sagen wir „Ja“, obwohl wir eigentlich gar keine Zeit haben Und wie oft fühlen wir uns hinterher schlecht, unter Druck oder gestresst?! Es ist immer wichtig, sich zu überlegen, welchen Preis wir selbst zahlen, wenn wir „Ja“ sagen obwohl wir ein „Nein“ fühlen. Denn es ist jedes Mal unsere eigene Grenze, die wir nicht wahren und der Respekt uns gegenüber, den wir einbüßen.
Ein großer Schritt ist schon getan, wenn wir uns überhaupt zugestehen, Nein sagen zu dürfen. Und ein zweiter, wenn wir es täglich üben und uns immer wieder sagen, dass wir selbst es auch wert sind, in der eigenen Betrachtung berücksichtig zu werden und dass ein Nein unser gutes Recht ist.
Finde Deine Kraft- und Energiequellen
Es gibt Phasen im Leben, die sind einfach intensiv, herausfordernd, besonders oder neu. Werden wir beispielsweise Eltern, ist nichts mehr wie vorher. Ziehst Du um, läßt Du Gewohntes zurück. Fängst Du einen neuen Job an, bist Du vielleicht sehr aufgeregt. Gibt es einen unerwarteten Schicksalsschlag, steht das System kopf.
Wenn wir uns in außergewähnlichen Lebenslagen befinden – aber auch im klassischen Alltag – ist es unglaublich hilfreich, die eigenen Energie- bzw. Kraftquellen zu kennen. Nur zu geben und Energie „rauszuhauen“ schafft ein Ungleichgewicht. Daher ist es wichtig, für Balance zu sorgen und zu wissen, was Dir – möglicherweise auch kurzfritig – Kraft und Power verleiht. Das sind gern auch die Dinge, die uns richtig Spaß machen und uns einen echten Motivationsschub bescheren. Dabei sind der Phantasie keine Grenzen gesetzt: Tanzen, gutes Essen, Basteln, Telefonieren, Lachen, Yoga, Kuscheln, Fußball, Baden, Schreiben, Waldspaziergang, Meditation, Grillabend etc.
Schau, was Dich belebt, was Dich nährt, was Dich empowert, was Dich innerlich aufrichtet und dann sei großzügig?
Entspannen und beleben mit der passenden Atemtechnik
Zum einen ist es der Kopf, an dem wir unseren Stresspegel und den inneren Druck ablesen können. Nämlich dann, wenn die Gedanken und Sorgen sich breit machen und wir uns nicht mehr richtig konzentrieren und zur Ruhe fiinden können. Und gleichzeitig ist es auch unser Körper, der Warnsignale schickt, wie beispielsweise innere Anspannung, Rückenschmerzen, schwitzige Hände, enger Brustraum, unangenehme Gefühle etc.
Ein Werkzeug, das wir immer und überall dabei haben und das wirklich so sehr helfen kann, ist eine passende Atmung. Wenn Du für einen Moment Deine Aufmerksamkeit auf Deine Atmung richtest und Dir folgender Wirkungen bewusst bist, kannst Du Dir immer und kurzfristig selbst helfen:
Machst Du die Einatmung länger als die Ausatmung, wirkt sich das belebend und energetisierend aus. Atme zum Beispiel sechs Sekunden ein und vier Sekunden aus.
Ist hingegen die Ausatmung länger als die Einatmung, ist die Wirkung beruhigend und schenkt Entspannung. Dann kannst Du vier Sekunden ein und sechs Sekunden ausatmen.
Und sind Ein- und Ausatmung gleich lang, hat das eine ausgleichende Wirkung und Du bringst Dein Nervensystem in Balance. In diesem Fall atmest Du zum Beispiel fünf Sekunden ein und fünf Sekunden aus.
Die Weisheit der Schildkröte
Am Ende möchte ich noch eine Sache mit Dir teilen, die mir einst eine enge Freundin mit auf den Weg gegeben hat, als mir alles mal wieder nicht schnell genug ging: „Wenn Du es eilig hast, mach langsam!“ Diesen Spruch oder dieses Mantra sag ich mir immer dann, wenn der innere Antreiber mal wieder Vollgas geben will, aber ich gleichzeitig spüre, das mir und meiner Familie Vollgas gerade überhaupt nicht dienen würde. Und wenn ich dann selbst einen Gang runterfahre, wird alles plötzlich wieder leichter😉
Danke, dass Du da bist und diesen Blog liest. Und ich freue mich sehr, wenn Du in den Kommentaren teilst, welche Erfahrungen Du mit Druck, Stress und Selbstfürsorge gemacht hast.
Fühle Dich geherzt!
Deine Wiebke